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Staatsanwaltschaftliche Einstellungsbescheide im Klageerzwingungsverfahren Sant'Anna di Stazzema hinsichtlich des einzigen noch verbliebenen Beschuldigten aufgehoben
Datum: 05.08.2014
Kurzbeschreibung:
Nachdem der das Massaker von Sant‘ Anna di Stazzema betreffende Klageerzwingungsantrag durch Beschluss vom 30.10.2013 hinsichtlich vier Beschuldigter zurückgewiesen worden war (vgl. Pressemitteilung vom 06.11.2013), hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe durch Beschluss vom 05.08.2014 (3 Ws 285/13) die Bescheide der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 26.09.2012 und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 15.05.2013 aufgehoben, soweit sie den einzigen noch verbliebenen Beschuldigten betreffen, und der Staatsanwaltschaft Stuttgart die Abgabe des Verfahrens an die nun allein zuständige Staatsanwaltschaft H. aufgegeben.
Entgegen der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart bejahte der 3. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 05.08.2014 hinsichtlich dieses Beschuldigten den hinreichenden Tatverdacht, d. h. die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung wegen Mordes oder zumindest wegen Beihilfe zum Mord, so dass genügender Anlass zur Anklageerhebung besteht.
Gestützt auf die Angaben von Zeugen sowie historische Gutachten legte der Senat im Einzelnen dar, dass der Beschuldigte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Tatzeit Führer einer SS-Panzergrenadierkompanie war und als solcher hinreichend verdächtig ist, am Tattag in Sant‘ Anna di Stazzema im Einsatz und in strafrechtlich verantwortlicher Weise an der Ermordung mehrerer Hundert Zivilisten, vornehmlich Frauen und Kinder, beteiligt gewesen zu sein. Insbesondere bestehen nach Ansicht des Senats keine vernünftigen Zweifel, dass die Befehle und die Einsatzplanung, die dem Beschuldigten als kommandierendem Offizier bekannt waren, nicht auf die Partisanenbekämpfung beschränkt, sondern von vornherein auf die Vernichtung der Zivilbevölkerung von Sant‘ Anna di Stazzema gerichtet waren.
Die Einstellung des Verfahrens lässt sich nach Auffassung des Senats - zumindest derzeit - auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass der mittlerweile 93 Jahre alte Beschuldigte dauerhaft verhandlungsunfähig ist. Nachdem ein gerichtsmedizinisches Gutachten vom 26.10.2013 zunächst dahingehende Hinweise ergeben hatte, erfolgten weitere Untersuchungen, die dies nicht bestätigten. Von der insofern noch notwendigen weiteren Aufklärung hat der Senat im Hinblick darauf, dass er nicht mehr zur Anordnung der Anklageerhebung befugt ist, abgesehen. Nach § 175 Satz 1 StPO kann der Senat die Erhebung der Anklage nur insoweit anordnen, als die örtliche Zuständigkeit einer Staatsanwaltschaft aus dem Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe gegeben ist. Diese ist jedoch dadurch entfallen, dass das Verfahren hinsichtlich des einzigen Beschuldigten, der wegen seines Wohnsitzes eine solche Zuständigkeit begründete, durch Beschluss vom 30.10.2013 eingestellt wurde. Es bestand daher nach Ansicht des Senats nur die Möglichkeit, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 26.09.2012 sowie den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Stuttgart vom 15.05.2013 bezüglich des noch verbliebenen Beschuldigten aufzuheben und der Staatsanwaltschaft Stuttgart aufzugeben, das Ermittlungsverfahren angesichts des Wohnsitzes dieses Beschuldigten an die örtlich nunmehr allein zuständige Staatsanwaltschaft H. abzugeben.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 05. August 2014
- 3 Ws 285/13 -
Hinweise auf den Gesetzestext:
§ 172 [Klageerzwingungsverfahren]
(1) 1Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. 2Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. 3Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.
(2) 1Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. 2Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. 3Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.
(3) 1Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. 2Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. 3Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.
(4) 1Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. 2§ 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden.
§ 175 [Beschluss auf Anklageerhebung]
1Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. 2Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.