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Unterhaltslast für Kind als Schaden -

Datum: 03.02.2006

Kurzbeschreibung: auch nichtehelicher Vater in ungefestigter Partnerschaft kann Unterhaltsschaden für ungewolltes Kind bei ärztlichem Behandlungsfehler verlangen


Die bei Geburt ihres Sohnes 21jährige Klägerin verlangt vom Beklagten, einem Gynäkologen, Ersatz für den Unterhalt für ihr 2002 geborenes Kind, den sie und der nichteheliche Vater leisten müssen. Der Vater, der die Vaterschaft anerkannt hat, hat seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin, die mit dem Vater wenige Monate befreundet war, damals wie heute nicht mit ihm zusammen lebte, suchte den Beklagten auf, um sich ein langwirkendes Kontrazeptivum in einem Plastikröhrchen oberhalb der Ellenbeuge unter der Haut einsetzen zu lassen. Bei einem weiteren Termin nach knapp sechs Monaten stellte der Beklagte eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest, das Implantat konnte nicht mehr gefunden, der Wirkstoff im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe das Implantat überhaupt nicht oder fehlerhaft eingesetzt. Der Vater des Kindes und sie hätten weder zum damaligen Zeitpunkt noch später ein Kind haben wollen, da sie sich erst ein halbes Jahr gekannt hätten und sie ihre sehr gute Arbeitsstelle habe antreten wollen. Der Beklagte schulde ihnen deshalb Bar- und Betreuungsunterhalt.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es könne nicht von einem ungewollten Kind im Sinne der Rechtsprechung gesprochen werden, denn die Familienplanung der jungen Klägerin sei sicher nicht abgeschlossen. Was heute an Unterhalt aufgewandt werde, werde später erspart.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Klägerin zum Oberlandesgericht Karlsruhe - Senate in Freiburg - war erfolgreich. Das Oberlandesgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt für das Kind an die Klägerin ab dem Zeitpunkt der Geburt.
Der Senat hat unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeführt, dass die Unterhaltslast für das Kind einen Schaden im Rechtssinne darstellt. In Frage steht die haftungsrechtliche Zurechnung der wirtschaftlichen Belastung durch das Kind zu der Verletzung eines Arztvertrages, der auf die Verhinderung einer Schwangerschaft gerichtet ist. Auch und gerade bei einer jungen Frau kann sich die geschilderte Frage der haftungsrechtlichen Zurechnung eines „unerwünschten“ Kindes stellen. Eine fehlgeschlagene Familienplanung liegt nicht nur vor, wenn diese bereits im Sinne gewünschter endgültiger Kinderlosigkeit abgeschlossen ist, sondern sie ist auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt wird und die zukünftige Planung endgültig noch nicht absehbar ist. Die Familienplanung der Klägerin bestand darin, dass sie noch keine Ehe eingehen wollte und dass sie kein Kind gemeinsam mit ihrem Partner haben wollte. Diese Planung ist durch die fehlgeschlagene Verhütung gestört. Ob die Klägerin irgendwann ein Kind gewollt hätte, spielt keine Rolle. Für die Klägerin liegt ein Schaden in der unerwünschten Unterhaltsbelastung, gegen die die fehlgeschlagene Verhütung schützen sollte. Nach der Beweisaufnahme steht auf der Grundlage eines eingeholten Sachverständigengutachtens fest, dass dem Beklagten beim Einsetzen des Präparats ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Dieser ist kausal für die Schwangerschaft, da bei ordnungsgemäßer Einlage das Präparat eine volle kontrazeptive Sicherheit bietet.
Der Klägerin stehen auch Ansprüche aus dem abgetretenen Recht des Vaters zu, da der Vater in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages einbezogen ist. In den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen war nur der Ehegatte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen, für den nichtehelichen Erzeuger hat der Bundesgerichtshof diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Für seine Einbeziehung spricht, dass auch in einer nicht auf die Herstellung einer Lebensgemeinschaft gerichteten Partnerschaft der übereinstimmende Wille gegeben sein kann, keine Familie zu gründen. Gemeinsam geplante Empfängnisverhütung ist kein Privileg ehelicher oder nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Es ist grundsätzlich von einem Interesse der Patientin auszugehen, zumindest den gegenwärtigen Partner auch einer ungefestigten Partnerschaft durch den Vertrag mit dem Arzt, der die Empfängnisverhütung ermöglicht, in gleicher Weise vor Unterhaltslasten zu schützen wie sich selbst, was für den behandelnden Arzt auch ohne weiteres erkennbar ist. Dies gilt vorliegend um so mehr, als dem Beklagten der konkrete Anlass für die Schwangerschaftsverhütung ausdrücklich mitgeteilt worden war. Deshalb hat im konkreten Fall  der nichteheliche Vater in dieser ungefestigten Partnerschaft einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verpflichtung zur Zahlung des Barunterhalts.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen zur Einbeziehung des Vaters in den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat der Senat die Revision zugelassen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2006 - 13 U 134/04 -

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