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VBL-Zusatzversorgung: Sechsmonatige Ausschlussfrist für Beanstandungen gegen Startgutschriften ohne unmissverständliche Belehrung unwirksam

Datum: 02.03.2007

Kurzbeschreibung: mit Entscheidung

Die Klägerin wendet sich gegen eine Betriebsrentenmitteilung. Sie war bis zu ihrem Renteneintritt Anfang 2004 als Angestellte im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der beklagten Zusatzversorgungseinrichtung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), pflichtversichert. Die VBL hat zum Ablauf des 31.12.2001 ihr Versorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Mit sogenannten Startgutschriften wurden die von den Versicherten im bisherigen System erdienten Rentenanwartschaften wertmäßig festgestellt und auf die Versorgungskonten im Punktemodell übertragen. Wie jedem Versicherten wurde der Klägerin  die Höhe ihrer Startgutschrift durch ein gesondertes Schreiben mitgeteilt.
Gemäß § 78 Abs. 3 Satz 1 der Satzung (VBLS) sind Beanstandungen gegen die Startgutschrift innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang der Mitteilung über die Startgutschrift schriftlich unmittelbar gegenüber der Anstalt zu erheben. Gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 VBLS ist auf die Ausschlussfrist in der Mitteilung hinzuweisen.
Das Mitteilungsschreiben an die Klägerin endet mit den folgenden Hinweisen:

„Gegen die mitgeteilte Startgutschrift können Sie unmittelbar Klage erheben oder zunächst Beanstandungen geltend machen.
Näheres über die Frist zur Klageerhebung, die zuständigen Gerichte sowie die Folgen der Fristversäumnis entnehmen Sie bitte dem beigefügten Merkblatt L 341.
Beanstandungen sind innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang dieser Mitteilung schriftlich gegenüber der VBL geltend zu machen. Falls Sie mit der Entscheidung der VBL über die Beanstandung nicht einverstanden sind, steht Ihnen wieder der Klageweg offen. Die Klage ist dann innerhalb der Klagefrist von sechs Monaten nach Zugang der Entscheidung über die Beanstandung zu erheben.“

Die Klägerin hat innerhalb der sechsmonatigen Frist keine Beanstandungen gegen die Startgutschrift erhoben, sondern erst gegenüber der späteren Betriebsrentenmitteilung. Der Berechnung der Betriebsrente wurde die Startgutschrift zugrunde gelegt. Gegen die Betriebsrentenmitteilung hat die Klägerin innerhalb von sechs Monaten (die dem Senat vorliegende) Klage erhoben.
Die beklagte VBL hat die Klage bereits für unzulässig gehalten, weil die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 78 Abs. 3 VBLS zur Erhebung von Beanstandungen gegen die Startgutschrift verstrichen gewesen sei.
Dem ist der für das Versicherungsrecht zuständige 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht gefolgt: Die Klägerin ist trotz Verstreichens der Ausschlussfrist nicht gehindert, im Rahmen der Klage Beanstandungen gegen die Startgutschrift vorzubringen. Das beigefügte Merkblatt L 341 betrifft nicht die Ausschlussfrist für Beanstandungen. Die Folgen der Fristversäumnis für die Klagemöglichkeit sind in der VBLS an anderer Stelle geregelt und schließen entsprechende Einwendungen gegenüber späteren Leistungsmitteilungen nach bisherigem Verständnis nicht aus. Der Senat hat offen gelassen, ob die in § 78 Abs. 3 VBLS vorgesehene Befristung der Beanstandungsmöglichkeit auf lediglich sechs Monate überhaupt wirksam ist. Unangemessen und mit den im versicherungsvertraglichen Verhältnis besonders zu beachtenden Grundsätzen von Treu und Glauben nicht mehr vereinbar ist die vorgesehene Rechtsfolge einer vom Versicherten künftig nicht mehr angreifbaren Wertfeststellung jedenfalls dann, wenn er bei der Fristsetzung über diese Rechtsfolge nicht klar und unmissverständlich aufgeklärt worden ist. Diese Voraussetzung entspricht einem Grundgedanken des Versicherungsrechts, der in § 12 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) besonderen Ausdruck gefunden hat. Nach dessen Satz 1 ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Nach Satz 2 der Vorschrift beginnt die Frist erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung gelten für die Belehrung nach § 12 Abs. 3 VVG strenge Anforderungen.
Die Belehrung in der Mitteilung an die Klägerin hält der Senat nicht für ausreichend. Das Wort „Ausschlussfrist“ weist zwar im Satzzusammenhang darauf hin, dass sich der Ausschluss auf Beanstandungen gegen die Startgutschrift beziehen soll. Dem Versicherten wird jedoch nicht hinreichend deutlich mitgeteilt, ob nach Ablauf der sechsmonatigen Frist lediglich die Startgutschriftenmitteilung selbst nicht mehr angegriffen werden kann oder es außerdem - wie die Beklagte meint - nach Eintritt des Versicherungsfalles ausgeschlossen sein soll, gegenüber Mitteilungen über die Betriebsrentenhöhe Beanstandungen gegen die darin einbezogene Startgutschrift vorzubringen. Die Belehrung klärt nicht deutlich genug darüber auf, dass der Versicherte gegebenenfalls durch bloßen Zeitablauf seinen Leistungsanspruch im Versicherungsfall insoweit verlieren soll, als die Startgutschrift zu niedrig festgesetzt worden ist beziehungsweise hinter der erdienten Anwartschaft zurückbleibt. Damit ist die Belehrung insgesamt unwirksam und ein Beanstandungsausschluss nicht eingetreten.
Die Klage hatte allerdings in der Sache keinen Erfolg, da der Senat die der Klägerin nach den Regeln für rentennahe Versicherte erteilte Startgutschrift entsprechend den Ausführungen in seinem Urteil vom 07. Dezember 2006 (12 U 91/05 – vgl. dazu die Pressemitteilung vom 7.12.2006) als wirksam angesehen hat.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits hat das Oberlandesgericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 01.03.2007 - 12 U 40/06 -

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