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Gemeinsame Pressemitteilung zum Staufener Missbrauchsfall

Datum: 06.09.2018

Oberlandesgericht Karlsruhe

 

Mitteilung der Pressestelle vom 06.09.2018

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Gemeinsame Pressemitteilung zum Staufener Missbrauchsfall

 

Gemeinsame Arbeitsgruppe zum Staufener Missbrauchsfall empfiehlt besseren Informationsaustausch und konkrete Absprachen zwischen Gericht und Jugendamt über die Kontrolle von Auflagen bei Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls

 

Das Oberlandesgericht Karlsruhe, das Amtsgericht Freiburg und das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald haben im März 2018 eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung des Staufener Missbrauchsfalls gebildet. Aufgabe der Arbeitsgruppe unter Leitung von Vizepräsident des Oberlandesgerichts Helmut Perron war die Untersuchung der Kommunikation zwischen den beteiligten Gerichten und Behörden bei Gefährdungen des Kindeswohls sowie der Überwachung der Einhaltung von gerichtlichen Ge- und Verboten. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Untersuchung wurden Vorschläge für die Zukunft erarbeitet.

Die Arbeitsgruppe hat den Informationsfluss zwischen Jugendamt und den beteiligten Gerichten sowie die Verarbeitung von Informationen anderer Stellen im Staufener Fall analysiert. Sie hat festgestellt, dass von verschiedenen Stellen vorhandene Informationen nicht frühestmöglich weitergegeben und nicht alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Die von den Familiengerichten der Mutter aufgegebenen Gebote wurden nicht kontrolliert. Aus diesen Feststellungen leitet die Arbeitsgruppe unter anderem folgende Empfehlungen ab.

 

1. Informationsgewinnung und Informationsaustausch bei Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung

Der Informationsaustausch zwischen den mit dem Schutz des Kindeswohls befassten Familiengerichten und Jugendämtern sowie den mit der Strafverfolgung und Abwehr von Gefahren durch bestimmte Täter befassten Behörden sollte verbessert werden.

Polizei, Staatsanwaltschaft, Landgericht (Strafvollstreckungskammer, Führungsaufsichtsstelle) und Bewährungshilfe werden gebeten, die Jugendämter frühzeitig zu informieren, wenn ein Sexualstraftäter, dessen Taten sich gegen Kinder oder Jugendliche gerichtet hatten, in seinem Umfeld wiederholt Kontakt zu einem Minderjährigen hat, der als potenzielles Opfer in Betracht kommt.

Die Arbeitsgruppe bittet die Minister der Justiz und für Europa, für Soziales und Integration sowie für Inneres, Digitalisierung und Migration in Baden-Württemberg, die Verwaltungsvorschrift-KURS (Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern) dahingehend zu ändern, dass in diesen Fällen eine frühzeitige Einbeziehung des Jugendamtes möglich wird.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt dem Jugendamt, seine fachlichen Einschätzungen, Unterlagen und Erkenntnisse unverzüglich weiterzugeben, damit das Gericht die Informationen verarbeiten, bewerten und an die übrigen Verfahrensbeteiligten weiterleiten und zum Gegenstand weiterer eigener Ermittlungen oder zum Beispiel einer Anhörung der Verfahrensbeteiligten oder des Kindes machen kann. Den Gerichten wird empfohlen, alle relevanten Erkenntnisquellen auszuschöpfen, um fundiert Gefahren einzuschätzen und Prognosen zu treffen.

Die Kindesanhörung und die Bestellung eines Verfahrensbeistands sind im gerichtlichen Verfahren in Fällen der vorliegenden Art als gesetzlicher Regelfall vorgesehen. Wird auf die Bestellung eines Verfahrensbeistands und die Anhörung des Kindes im Einzelfall verzichtet, wird angeregt, die Gründe hierfür zu dokumentieren.

Gefährdet ein konkreter Dritter das Kindeswohl, ist dessen Anhörung und Beteiligung am Verfahren zu erwägen. Die Anhörung weiterer Personen, die zur Einschätzung einer möglichen Kindeswohlgefährdung durch einen konkreten Gefährder beitragen können (z.B. Polizeibeamte oder Bewährungshelfer), sollte durch die Gerichte geprüft werden.

 

2. Kontrolle von Auflagen zur Abwehr von Kindeswohlgefährdung

Entzieht das Familiengericht trotz einer festgestellten Kindeswohlgefährdung das Sorgerecht nicht und beschränkt sich auf mildere Maßnahmen, so muss kontrolliert werden, ob die Gebote und Verbote zum Schutz des Kindeswohls von den Eltern auch eingehalten werden. Die Arbeitsgruppe regt an, dass die Gerichte mit den Eltern und dem Jugendamt im Verhandlungstermin oder zeitnah im Zusammenhang mit der gerichtlichen Entscheidung verbindlich absprechen, von wem, wann und wie die Einhaltung der Maßnahmen überprüft wird.

 

3. Mitwirkung und Beteiligung des Jugendamtes am familiengerichtlichen Verfahren

Verfahren nach § 8a SGB VIII und familiengerichtliche Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung sollten beim Jugendamt durch Teams bestehend aus sozialpädagogischen Fachkräften und hauseigenen Juristen begleitet werden. Dadurch soll die rechtliche Position des Jugendamtes als Verfahrensbeteiligter vor Gericht stärker ausgefüllt werden.

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